Neujahrsblatt 1667

Conrad Meyer
Betrachtung Menschlichen Alters, nach anleitung der vier Tags- und Jahrs-Zeiten, 1667
Radierung, 23.8 x 18 cm, Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung
Zum Jahreswechsel 1667 schuf Conrad Meyer ein Neujahrsblatt, bestehend aus vier Emblemen – einer im Barockzeitalter beliebten Kunstform. Das barocke Emblem setzt sich typischerweise aus Titel, Bild und einem erläuternden Text zusammen. In der Verbindung von Text und Bild werden moralische, religiöse oder allgemeine Weisheiten sowie Verhaltensregeln vermittelt. Die Botschaft blieb dabei bewusst mehrdeutig: Die Betrachtenden sind eingeladen, die verborgenen Bedeutungen eigenständig zu deuten und persönliche Schlüsse für ihr eigenes Leben daraus zu ziehen.
In diesem Neujahrsblatt verknüpft Meyer den vierteiligen Zyklus der Jahreszeiten mit jenem der menschlichen Lebensalter, eine Darstellungsweise, die tief in der europäischen Kunstgeschichte verwurzelt ist. Jede Jahreszeit steht dabei sinnbildlich für eine Lebensphase. Bibelverse und moralisierende Reime begleiten die Bilder und regen zum Nachdenken über das Leben an. Darin wird vor den Folgen eines trägen Lebenswandels gewarnt, nicht ohne zugleich die Belohnung für ein gottgefälliges und arbeitsames Leben in Aussicht zu stellen.
Zu sehen sind vier Putten, die jeweils in einer jahreszeitlich geprägten Landschaft dargestellt sind und saisontypische Attribute halten. So steht der Herbst für ein fortgeschrittenes Lebensalter, eine Zeit des Übergangs und der Ernte. Der Putto befindet sich in einer herbstlichen Landschaft: Abgeerntete Felder, Rebberge, ein beladener Wagen und die tief stehende Sonne deuten auf das fortschreitende Jahr und damit auf das fortgeschrittene Lebensalter hin. In seinen Händen hält der Putto einen Weinkelch, Herbstlaub, Früchte und Getreide – Symbole der Ernte und Fruchtbarkeit.
«Abend Herpst: oder, Braunes Alter
Der Herpst und Abend wir angehndes Alter gleichen,
so, sonder Wachsthum, nie vorgehnde liess entweichen:
Drumsamlet es die frucht mit freuden, reichlich eyn:
Der Träg und Bottlotz wird im Alter Darbend seyn.»
Mit dem Vers verknüpft Meyer die Herbstdarstellung mit dem menschlichen Lebenswandel: Wer in der Jugend und im Erwachsenenalter, symbolisiert durch Frühling und Sommer, hart gearbeitet und fleissig gebetet hat, darf nun auf eine reiche Ernte hoffen. Zugleich enthält die Darstellung eine Warnung: Wer in jungen Jahren kein gottgefälliges Leben führt, wird im Alter leer ausgehen.
Zwei Bibelzitate rahmen das Bild:
«Im Hause des Gottlosen ist der Fluch des HERREN, Aber der gerechten Haus wird gesegnet.» Pro.III.33
«Es ist dem Menschen gesetzt, ein mahl zu Sterben: darnach aber das Gericht.» Heb: IX.15
In derselben Weise sind auch die übrigen Embleme gestaltet. Zusammen ergeben sie ein vielschichtiges Bild, eine Allegorie auf den Lauf des Lebens und das zyklische Wesen allen Seins.